Was ist Quantum Supremacy?

Einleitung: Der Begriff Quantum Supremacy beschreibt den Moment, in dem ein Quantencomputer eine Rechenaufgabe löst, die mit jedem heute verfügbaren klassischen Computer praktisch nicht mehr zu bewältigen ist. Dabei geht es nicht um allgemeinen Nutzen, sondern um den Beweis, dass die Grundprinzipien der Quanteninformation – Superposition, Verschränkung und Phaseninterferenz – einen echten Vorteil verschaffen können. Nachdem Google 2019 erstmals von „quantenüberlegenheit“ sprach, entwickelte sich eine lebhafte Debatte um den wissenschaftlichen Wert, die Definitionen und das, was darauf folgen soll.

Historische Experimente und Meilensteine

Die erste große Demonstration gelang Google im Oktober 2019 mit dem supraleitenden 53‑Qubit‑Prozessor Sycamore. Der Quantenchip führte einen Random Circuit Sampling durch: ein Zufallskreisschaltkreis aus mehreren zweiqubit‑Gattern wurde erzeugt, ausgeführt und schließlich das Verteilungsmuster der Ergebnisse ausgelesen. Google behauptete, dass der leistungsstärkste klassische Supercomputer („Summit“) über 10 000 Jahre benötigen würde, um dieses Muster exakt zu berechnen, während Sycamore nur wenige Minuten benötigte. Die Arbeit wurde in Nature veröffentlicht und markierte das erste Mal, dass ein Quantenprozessor klare Vorteile bei einer synthetischen Aufgabe zeigte.

Seither wurden weitere Experimente gemeldet. Chinesische Forscher entwickelten Jiuzhang I (2020) und Jiuzhang II (2021), Photonik‑Systeme, die bosonisches Sampling mit Dutzenden von Photonen durchführen. Diese Systeme erzeugten multiphotonische Zustände mittels linearer Optik und Detektoren und zeigten einen ähnlichen Vorsprung gegenüber klassischen Simulationen. 2021 kündigte USTC außerdem einen supraleitenden 66‑Qubit‑Chip (Zuchongzhi 2.1) an, der noch komplexere Zufallszirkulationen absolvierte. Firmen wie IBM, Rigetti und IonQ meldeten ebenfalls Fortschritte und setzten immer größere Chips (z. B. IBM Osprey 433‑Qubit) ein, um Tischexperimente zu skalieren.

Supremacy versus Advantage – Definitionen und Bedeutung

Quantum Supremacy beschreibt, vereinfacht formuliert, einen einmaligen Nachweis: ein Quantenprozessor führt eine einzige, speziell konstruierte Aufgabe schneller aus als jeder denkbare klassische Rechner. Der Begriff wurde vom Physiker John Preskill 2012 geprägt. Viele Forschende bevorzugen inzwischen den neutraleren Ausdruck Quantum Advantage: dieser betont, dass es um einen nachhaltigen Vorteil in realen Anwendungen geht. Während Supremacy‑Experimente oft mathematische Spielereien darstellen, zielt Advantage auf Probleme mit praktischem Nutzen – etwa die Simulation von Molekülen, Optimierungsfragen in der Logistik oder maschinelles Lernen.

Der semantische Unterschied ist bedeutsam: Eine kurzfristige Überlegenheit bei einer ausgedachten Zufallsaufgabe ist interessant, aber nur der erste Schritt. Entscheidend ist, ob Quantencomputer bei wichtigen Fragestellungen wie der Entwicklung neuer Materialien, dem Lösen kombinatorischer Probleme oder der sicheren Verschlüsselung dauerhaft effizienter sind. Diese Anwendungen erfordern eine größere Zahl von Qubits, präzisere Steuerung und vor allem ausgereifte Fehlerkorrektur.

Kritik an der Supremacy‑Behauptung

Googles Ankündigung sorgte für heftige Diskussionen. Kurz nach der Veröffentlichung argumentierten IBM‑Forschende, dass dasselbe Zufallssampling auch auf einem optimierten Supercomputer in 2–3 Tagen berechenbar sei – weit entfernt von 10 000 Jahren. Darüber hinaus zweifelten Kritiker*innen den praktischen Nutzen des Experiments an: Der Algorithmus dient nur als Benchmark und hat keinen direkten Anwendungsfall. Diese Debatte zeigt, dass Aussagen über „Überlegenheit“ stark von den getroffenen Annahmen über klassische Algorithmen und Hardware abhängen.

Auch später wurden Supremacy‑Behauptungen relativiert. Bei photonenbasierten Systemen ist unklar, ob imperfekte Bauteile und photonische Verluste nicht doch klassische Simulationen erlauben. Trotzdem helfen diese Arbeiten, die Skalierbarkeit und Kontrolle über komplexe Quantenprozessoren zu demonstrieren und treiben die Hardwareentwicklung voran.

Aktuelle Fortschritte und nahe Zukunft

Seit den ersten Supremacy‑Versuchen hat sich die Landschaft rasch weiterentwickelt. IBM veröffentlichte 2022 den Chip Osprey mit 433 Qubits und kündigte für 2024/2025 den 1000‑Qubit‑Prozessor Condor an, der in modulare Quantum System Two‑Rechner eingebaut wird. IonQ und Quantinuum setzen ionenbasierte Computer ein, die dank langen Kohärenzzeiten komplexe Gatterabfolgen unterstützen. Forscher*innen entwickeln neue Algorithmen für die Variational Quantum Eigensolver (VQE) und QAOA sowie verbesserte Variational Quantum Classifier, um NISQ‑Geräte für Chemie, Materialdesign und Optimierung nutzbar zu machen.

Parallel dazu arbeiten Teams an Hybridansätzen: Quantencomputer übernehmen den quantenschweren Teil eines Problems, während klassische Hardware Optimierungen und Post‑Processing erledigt. Erste kommerzielle Pilotprojekte entstehen in den Bereichen Finanzrisikobewertung, Routenplanung und Proteinstrukturvorhersage. Je besser die Gate‑Fidelity und Fehlerraten, desto größer der Vorteil dieser hybriden Modelle.

Herausforderungen auf dem Weg zur Quantenüberlegenheit

Quantencomputer leiden noch immer unter erheblichen Fehlerquellen: Dekohärenz, Kreuzkopplung zwischen Qubits und ungenaue Gatteroperationen sorgen dafür, dass die nützliche Laufzeit begrenzt ist. Fortschrittliche Materialforschung, bessere Kontrollsysteme und neue Qubit‑Typen (z. B. transmonbasierte 3D‑Resonatoren, topologische Qubits) sollen die Fehlerraten senken. Eine weitere Hürde ist der Aufbau skalierbarer Quantenfehlerkorrektur. Codes wie die Oberfläche‑ oder Bacon‑Shor‑Codes erfordern Hunderte physikalische Qubits pro logischem Qubit und sind bisher nur in kleinen Demonstrationen gezeigt worden.

Auch die Algorithmik muss reifen. Viele Algorithmen versprechen theoretische Vorteile, setzen aber idealisierte Bedingungen voraus. Bei NISQ‑Geräten mit Rauschen schrumpft dieser Vorteil oder verschwindet. Forschende entwickeln daher Error Mitigation‑Techniken und suchen nach Anwendungsfällen mit robustem Vorteil. Anstatt reine Supremacy anzustreben, geht es zunehmend darum, praktisch relevante Aufgaben schneller oder genauer zu lösen als klassische Methoden.

Ausblick: Von der Supremacy zum praktischen Nutzen

Die frühe Demonstration der Quantum Supremacy war ein psychologisch wichtiger Meilenstein: Sie zeigte, dass Quantencomputer prinzipiell leistungsfähiger sein können als klassische Rechner. Der wirkliche Durchbruch wird aber erst erreicht, wenn Quantenprozessoren Probleme lösen, die unsere Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft voranbringen. Dazu braucht es sowohl Hardware mit Tausenden fehlerkorrigierten Qubits als auch Algorithmen, die realistische Aufgaben schneller oder energieeffizienter bearbeiten.

In den nächsten Jahren erwarten Experten erste Fälle von Quantum Advantage in den Bereichen Molekülchemie, Logistikoptimierung und Materialforschung. Langfristig könnte dies zu neuen Medikamenten, effizienteren Batteriespeichern, besseren CO₂‑Katalysatoren und sicherer Verschlüsselung führen. Bis dahin bleibt die Forschungslandschaft dynamisch – und jede neue Generation von Chips und Algorithmen bringt uns dem Ziel näher, das volle Potenzial der Quanteninformation auszuschöpfen.

Weiterführende Artikel

Dieses Kapitel gibt einen umfassenden Überblick über den Begriff der Quantum Supremacy, die kontroverse Diskussion um Googles Sycamore‑Experiment und die aktuellen Entwicklungen. Es ordnet die Supremacy‑Experimente in die breitere Landschaft der Quanteninformation ein und betont, wie wichtig es ist, den Übergang von spektakulären Benchmarks hin zu Anwendungen mit echtem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen zu schaffen.

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